NORDEN - Kreta
„Wir lieben die Stürme die brausenden Wogen, der eiskalten Winde raues Gesicht. Wir sind schon der Meere so viele gezogen und dennoch schwankt unsre Fahne nicht.“ Als Markus und ich nach einer gemütlichen Fahrt vom tiefsten Schwarzwald über Aachen endlich im Regen die ersten Muschelschalen vom Nordseestrand aufsammelten, kamen mir die Zeilen des alten Shantys in den Sinn. Und ich stellte fest, dass ich sie tatsächlich liebe: die Stürme, die brausenden Wogen und auch der eiskalten Winde raues Gesicht. Ich bin dem Nordmeer verfallen. Fühle mich im treibenden Wind frei wie ein Vogel und liebe es, mich als winziges Teilchen im großen Zusammenspiel der Gezeiten zu fühlen. Die Nordsee macht demütig und erhaben zugleich. Nirgends sonst stehen die Einwohner gelassener im Regen. Nirgends sonst wird der Kampf des unwissenden Urlaubers mit seinem Regenschirm nachsichtiger belächelt und nirgends sonst schmeckt der Pharisäer besser als hier. Bereits nach fünf Minuten aufm Deich waren wir in unseren Landrattenklamotten nass bis auf die Knochen. Aber merkwürdiger Weise fühlt sich das dort oben ganz anders an als zuhause. Und daher wissen wir jetzt: Im Regen stehen ist nicht überall gleich. Im Regen stehen an der Nordsee heißt, dass du nicht nur von oben nass wirst. Es heißt, dass der Wind dir das Wasser durch jede Lage Stoff presst die nicht aus Gummi ist. Im Regen stehen an der Nordsee heißt, sich mit dem Rücken gegen den Wind lehnen zu können, als wäre er ein Mauer. Im Regen gehen an der Nordsee heißt: Je nach Stärke des Rückenwindes bin sogar ich in der Lage, Geschwindigkeitsrekorde zu erzielen. Und im Regen gehen an der Nordsee heißt: Wer Gegenwind hat ist selbst dran schuld. Der Kurzurlaub in Hilgenriedersiel war eine Überraschung für mich. Eine der vielen Aufmerksamkeiten, mit denen Markus mich verwöhnt, wenn er das Gefühl hat, dass ich eine Auszeit vom Wahnsinn meines Alltags brauche. Wir hatten zwei Tage und zwei Nächte. Wobei ein Tag für einen Besuch auf der zauberhaften Insel Norderney reserviert war, und zwei Nächte in unserer absolut liebevoll eingerichteten Ferienwohnung „Unterm Deich“ in der ich mich so wohl gefühlt habe, dass ich am liebsten für immer dort geblieben wäre. Es war klar, dass wir kulinarisch vor allem den Norden kennenlernen wollten, aber, wer uns kennt, der weiß, dass wir auch jede Möglichkeit wahrnehmen, ansässige griechische Restaurants zu testen. Nachdem wir uns trockengelegt und den Einkauf für den kommenden Tag erledigt hatten, fuhren wir nach Norden in das Restaurant Kreta. Wir waren dort an einem Montagabend und wir hatten nicht reserviert, was fast zu unserem Verhängnis geworden wäre, denn das Kreta in Norden scheint auch an einem gewöhnlichen Montagabend immer bis auf den letzten Platz ausgebucht zu sein. Wir ergatterten einen der letzten freien Tische im hinteren Teil des Restaurants. Besonders drollig aber auch wohltuend erfrischend fand ich, wie jeder Gast einzeln liebevoll auf die kleine Stufe aufmerksam gemacht wurde, die in den hinteren Teil des Gastraums führte. Die Karte war klassisch, aber es fanden sich auch ein paar Details, die unsere Erwartungen hoch schraubten. Als Vorspeise hatte ich geschmolzenen und überbackenen Schafskäse, der ausgezeichnet gewürzt war und mich nach dem Spaziergang über den Deich ruckzuck wieder auf Temperatur brachte. Markus hatte sich für gegrillte Peperoni entschieden, die nicht zu scharf waren und dennoch einiges an Pep hatten. Zum Salat wurde eine Paste aus Tomaten gereicht, die der Komposition echtes Feuer verlieh. Mein Bifteki schmeckte ausgezeichnet. Das Fleisch war saftig und nur mit Käse gefüllt. Viele mögen es vielleicht, wenn die Fleischtaschen zusätzlich mit Tomaten und Paprika gefüllt sind, ich bevorzuge die reine Käsevariante, weil der Tomatensaft den Grill- und Fleischgeschmack für mich unnötig verwässert. Ich bin zwar kein Experte, aber das Fleisch war so hell, dass ich vermute, dass hier ausschließlich Schweinefleisch für das Bifteki benutzt wurde. Ein neuer, aber ganz und gar köstlicher Geschmack. Markus, der experimentierfreudiger ist als ich hatte sich den klassischen Grillteller mit Gyros und Bifteki bestellt. Kurz gesagt: Nicht nur im Regen stehen und gehen hat IM Norden etwas ganz besonderes, sondern offensichtlich auch das griechische Essen IN Norden. Das Kreta hier hat uns voll überzeugt und bekommt ein absolutes „Unbedingt hin“ von uns.