FRANKFURT - Am Brünnchen
Wenn die Töchter den Plan fassen, am Ostersamstag nach Frankfurt zu reisen, um dort mit ungefähr 20 anderen (vor allem) Töchtern tanzend und koreanische Popmusik singend durch die Straßen zu ziehen, ist es äußerst wichtig für die Eltern sich so weit wie möglich vom pubertierenden Nachwuchs aufzuhalten.
Da es polizeilich eher fragwürdig gewesen wäre das Bundesland zu verlassen, entschieden wir uns dazu, zumindest den Stadtteil zu wechseln und Frankfurt City den Kindern zu überlassen.
Als Markus mir mitteilte, dass die Wahl auf ein griechisch-deutsches Restaurant in der Kleingartensiedlung Sossenheim gefallen sei, dachte ich zuerst: Jetzt ist er verrückt geworden.
Da ist man einmal in der Welt der Hochfinanzen und des deutschen Geldadels und dann geht es in eine Kleingartensiedlung zum Essen???
Allerdings konnte es zeitlich nur ein Mittagessen sein und all die griechischen Restaurants in denen ich mich, schick angezogen, geschminkt und so richtig städtisch aufgehübscht gern gesehen hätte, öffnen Samstags erst ab 17.00 Uhr.
Also warfen wir die eigenen und auch die Gastkinder am Hauptbahnhof raus, und flüchteten mit qualmenden Reifen, ehe einer eine Verbindung zwischen uns und den kreischenden, hüpfenden, kichernden und ekstatischen jugendlichen K-Pop-Fans herstellen konnte, in Richtung Sossenheim.
Als Landbewohnerin habe ich Gott sei Dank ein ungetrübtes Verhältnis zu meinem Navigationsgerät. Als es uns über Seitenstraßen aus Sossenheim heraus, über verlassene Wege an verlassenen Gärten zu noch mehr verlassenen Gärten führte, folgten wir, ohne auch nur einen Augenblick Siris Verstand in Frage zu stellen und wurden für unsere Unverzagtheit schließlich belohnt.
Wir parkten unmittelbar auf einem großzügig bemessenen Parkplatz und schlenderten, bei frühlingshaften Temperaturen die letzten Meter zum "Am Brünnchen", das optisch einer Mischung aus Vereinslokal und Campingplatzrestaurant gleicht.
Aber auch für griechische Restaurants gilt der Grundsatz: Don't judge a book by its cover und ich bin wirklich froh, im Am Brünnchen gelandet zu sein,
Der Wirt begrüßte jeden Gast einzeln und mit Handschlag, was ich als sehr angenehm empfand.
Ich fühlte mich auf eine familiäre Weise willkommen und das blieb auch bis zum Schluss so.
Die Karte wies einige Überraschungen auf.
Da ich Bifteki sehr mag (da ist alles dran und drin, das mir normalerweise schmeckt) und ich, im Gegensatz zu Markus ein Speisekartenangsthase bin, bestelle ich mir gern das, wovon ich auch weiß, dass es schmeckt.
Doch hier wurde das Bifteki nicht mit Tomaten, Paprika und Schafskäse serviert, sondern mit einer Schafskäsefüllung an einer leichten Zitronensauce,
Das machte mich sehr neugierig und ich bestellte das Bifteki.
Als Vorspeise gab es Saganaki für mich und Tzaziki für Markus.
Bereits das Tzaziki war eines der besten und cremigsten, das ich je probiert habe.
Es war anders gewürzt und cremiger als alle anderen Tzazikis, die ja oft geschmacklich sehr einheitlich daher kommen .
Ich hätte gern mit Markus getauscht.
Dann kam das Bifteki, das ich zum ersten Mal mit griechischen Nudeln bestellt hatte.
Ich dachte: Wenn schon anders, dann schon richtig anders.
Für mich ist das quasi schon ein Quantensprung in Sachen Mut, denn wenn ich aus der Speisekarte wähle, denke ich immer: "Wenn dir jetzt nicht schmeckt, was du bestellst, dann hast du die nächsten fünf Stunden Hunger." Und ehrlich: Das Risiko ist mir viel zu groß, denn wenn ich was ganz und gar nicht gern schiebe, dann ist das Kohldampf.
Zurück zu den griechischen Nudeln und dem Bifteki in Zitronensauce.
Das Fleisch war saftig, aber nicht durchtränkt vom Saft der Tomaten, wie ich es schon oft erlebt habe.
Die Zitronensauce war im Geschmack dezent, aber dennoch fruchtig und erfrischend und passte hervorragend zu dem mit Feta gefüllten Hackbraten.
Die Nudeln waren ebenfalls sehr lecker und korrespondierten (ich frage mich ja immer, wie ich mir das bildlich vorstellen soll, wenn Tester behaupten, dass Gewürze miteinander korrespondieren würden), hervorragend mit Fleisch und Sauce.
Was mich besonders freute war, dass ich so ein Essen weder in einer Kleingartenanlage, noch in diesem doch eher sachlichen Ambiente vermutet hätte.
Gern hätte ich noch gefragt, aus welcher Region die Gastwirte kommen, denn dass hier nach originalen Rezepten gekocht wird, steht außer Frage.
Leider hatten wir keine Zeit mehr für ein Schwätzchen, da wir, wenn wir schon in Frankfurt waren, wenigstens noch einen Blick vom Main Tower werfen wollten.
Danach war gerade noch genug Zeit für ein Eis ( Eis geht immer), bevor wir unsere erschöpften und heiseren aber sehr glücklichen K-Pop-Kinder am Hauptbahnhof wieder aufsammeln konnten.
Das "Am Brünnchen" bekommt von uns fünf von sechs Sternen, da wir hier kulinarisch sehr positiv überrascht wurden und ich selten so gut gegessen habe.
Wäre das "Am Brünnchen" in der City und wäre das Ambiente ein bisschen pfiffiger und moderner, wäre das "Am Brünnchen" ein echter sechs Sterne- Kandidat.